Die Bunkergemeinschaft

Harmonisches Miteinander hinter dicken Betonmauern

10.05.2024

Der Bunker in der Bremer Roonstraße erinnert auf den ersten Blick in seiner Ambivalenz an Dr. Jackyll und Mr. Hyde: Aber schroff und unwirklich wirken die kühlen Betonflächen nur von außen. Im Innern präsentieren sich die Wohnungen lichtdurchflutet und wohnlich. Ein reizvoller Gegensatz, aber nicht die einzige Besonderheit des Bauwerks, das seinen Bewohnern ein besonderes Gefühl der Geborgenheit und auch der Zusammengehörigkeit vermittelt.

„Wir sind schon eine besondere Gemeinschaft hier“, stellen jedenfalls Annette Keuth und Mirko Kolpanow das harmonische Miteinander der Bunkerbewohner heraus. „Hier ist jeder für jeden da. Ob Post in Empfang genommen werden muss oder ob Blumen im Urlaub gegossen werden sollen, da stößt man hier im Haus nie auf taube Ohren.“ Das Paar, das eine rund 160 Quadratmeter große Wohnung in der ersten Bunkeretage gekauft hat, lebt seit 2010 in dem besonderen Bauwerk und hat die Entscheidung auch deswegen nie bereut. 


© Klaus Schmidt

Das geht nicht nur ihnen so. „Die anderen sieben Parteien fühlen sich ebenfalls wohl hier,“ weiß Mirko Kolponow. Seit 2011 die letzte Wohnung fertiggestellt wurde, habe es nicht einen einzigen Eigentümerwechsel gegeben. „Irgendwie verbindet der Bunker seine Bewohner,“ findet der Rohstoffhändler. „Es sind wohl besondere Individuen, die sich für ein solches Bauwerk entscheiden,“ sieht er einen möglichen gemeinsamen Nenner.

Das Leben im Bunker ist in der Tat nicht jedermanns Sache. Als der Betonklotz in der Roonstraße zu Wohnzwecken umgebaut werden sollte, regte sich Widerstand an mehreren Fronten. Nicht nur von den Behörden. „Die wussten damals offensichtlich nicht so richtig, wie sie die Statik eines Bunkers einschätzen sollten und sorgten mit immer neuen Auflagen für Verzögerung“, erinnert sich Kolpanow. Aber auch von einigen Nachbarn gab es unerwartete Reaktionen von der spürbaren Ablehnung bis zur klaren Ansage: „Plötzlich hingen in einem Fenster Transparente, die uns verurteilten.“ In einem Bunker zu wohnen sei pietätlos, bekamen die neuen Wohnungseigentümer da zu lesen. Das tat weh.

Das ist inzwischen Schnee von gestern. Zumal es die meisten Menschen anders sehen und die Chancen der Umnutzung spannend finden: Schon kurz nach dem Einzug der Käufer bat das Magazin „Schöner Wohnen“ um einen Termin und stellte seinen Lesern in einer großen Reportage das besondere Ambiente der Räume im Bunker vor. 


Auch das ZDF interessierte sich für das Leben hinter den dicken Betonmauern und schickte Claudia Bates, heute Studioleiterin des Senders in Washington, in die Roonstraße. „Als dann auch noch Filmproduktionen anfragten, ob sie bei uns in der Wohnung drehen dürfen, wurde es langsam zu viel, und wir haben abgesagt,“ erinnert sich Annette Kreuth: „Wir sollten unsere Wohnung für drei Wochen räumen und auf Kosten der Filmemacher ins Hotel ziehen. Das wollten wir nicht.“ 

Sie blieben lieber da, wo sie sich seit Jahrzehnten wohl fühlen, auch wegen der besonderen Bauphysik: „Selbst wenn draußen die Sonne richtig knallt, haben wir in unserer Wohnung angenehme Temperaturen,“ freut sich das Paar, das im Frühjahr die Wärme durch die großzügigen Fenster zur Südseite hineinlassen kann. Weil nur die Mauer alt, die Gebäudetechnik aber modern ist, darf es sich auch noch über konkurrenzlos günstige Heizkosten freuen. Noch erfreulicher ist der Unterhaltungsaufwand für die äußere Hülle. Der ist exakt berechenbar und liegt bei null. Zumindest für den Anteil des unverkleideten Betons. Und daran wird sich in den nächsten 100 Jahren nichts ändern.


von Klaus Schmidt

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